Für die Generation der heute 50 bis 60-jährigen war und ist Hubert von Goisern eine absolute Besonderheit im Musikbetrieb. Ihm und seiner Interpretation österreichischer Volksmusik ist es zu verdanken, das sich eine Gruppe dieser Sparte zuwandte, die in den 1970er- und 1980er-Jahren im Traum nicht daran gedacht hätten, irgendetwas mit Volksmusik zu tun haben zu wollen. Es war die hohe Zeit der Popmusik, die Zeit, in der Michael Jackson auf dem Musik-Olymp thronte und sich der Rock langsam in eine von vielen Nischen verabschiedete, nachdem er gut ein Viertel Jahrhundert die musikalische Welt dominierte. Dennoch dachte damals noch keiner daran,
dass man mit der Steirischen Harmonika erfolgreich sein kann.
In diesen Jahren machten vor allem österreichische Musiker mit einer neuen Stilrichtung auf sich aufmerksam. Mit witzigen Texten, oft in einem für Deutsche nur schwer zu verstehenden Dialekt gesungen, frech und radikal zugleich. Ein großer Vorreiter hierfür war zunächst Wolfgang Ambros, der den Austropop mitbegründete. In Österreich, aber auch in ganz Deutschland sangen Teens und Twenties mit, wenn Ambros „Es lebe der Zentralfriedhof“ oder „Schifoan“ (Ski fahren) erklang. Letzterer Song ist noch heute quasi die Nationalhymne in allen Skihütten Österreichs während des Apres Skis in der Wintersaison.
Erst im Jahr 1991 kreuzten sich die Wege von Ambros und Hubert von Goisern, während einer Tournee, die sie gemeinsam mit weiteren Künstlern bestritten. In dieser Tournee wurde ein weiterer Dauerbrenner des Austropop geboren, der Watzmann ruft. Für Hubert von Goisern war es zugleich der Auftakt für seine internationale Karriere. Schon im darauf folgenden Jahr veröffentlichte von Goisern zusammen mit seiner Band, den Alpinkatzen, das Album „Aufgeigen statt niederschiassen“ von dem vor allem ein Song den Weg in die Radiosender des gesamten deutschsprachigen Raum fand: „Koa Hiatamadl“ (Kein Hirtenmädchen). Ein Song, der den Alpenrock in den Herzen der Menschen in Deutschland wie in Österreich und auch der Schweiz etablierte.
Der Erfinder des Alpenrocks
Der Erfolg des Liedes hing ohne Frage mit der Person Hubert von Goisern zusammen. Ein Mann, der schon vom äußeren Anschein her kaum den Habitus eines klassischen Volksmusikers besitzt. Dazu war und ist seine Vita viel zu bunt. Langjährige Aufenthalte in Südafrika, wo er als Chemielaborant arbeitete, ein Gitarrenstudium in Toronto und ein Aufenthalt auf den Philippinen, bei dem er die Nasenflöte zu spielen lernte, sind nur drei Beispiele für von Goiserns Lebensstationen, nachdem er im Alter von 20 Jahren dem kleinen oberösterreichischen Ort Goisern entfloh. Später machte er den Ortsnamen zu seinem Künstlernamen. Das Spielen der steirischen Harmonika brachte er sich zum Ende der 1980er-Jahre selbst bei. Sie wurde gewissermaßen zum Markenzeichen des Musikers Goisern und ist in vielen seiner Lieder eines der Hauptinstrumente. So auch im „Hiatamadl“. Hier treffen Bassgitarre, Synthesizer, Drums und die steirische Harmonika aufeinander und untermalen den Songtext, kraftvoll und kernig, ausgerichtet auf einen eigentlich klassisch volkstümlichen Takt, jedoch von Goisern im Tempo modifiziert. Das Ergebnis ist Alpenrock, der genau das macht, was guter Rock soll, den Zuhörer mitreißen.
Alpenrock ist zugleich ein Begriff, der unter neuer Volksmusik einzuordnen ist. Während der traditionellen Volksmusik bezüglich der Instrumentalisierung relativ enge Grenzen gesetzt sind oder bestimmte Musikinstrumente eine nur regionale Zuordnung erfahren, erlaubt die neue Volksmusik alles. Rock, Jazz, Folk oder Hip-Hop können Bestandteil einer Musik sein, die vor allem ihre Klassiker völlig neu interpretiert. Warum sollten dann die traditionellen Instrumente der Volksmusik wegfallen? Dabei zeigt Hubert von Goisern wie gut die steirische Harmonika in dieses Repertoire passt. Zumindest im deutschsprachigen Raum ist ihre neue Popularität durchaus vergleichbar mit der der Mundharmonika, die zuerst dem Blues zugeordnet war und später von Musikern anderer Sparten übernommen wurde.
In vielem bewandert, in der Musik zu Hause
Hubert von Goisern selbst ist ein so vielseitiger Charakter, dass die Musik allein ihn nicht ausfüllt. Der Mann, der sich als Jugendlicher mit dem Kapellmeister der örtlichen Blasmusikkapelle anlegte, der unter anderem von Goiserns damals lange Haarpracht kritisierte, machte später nicht nur sehr erfolgreich tolle Musik. Schon 1994 entwarf von Goisern eine Modekollektion neu interpretierter Trachten.
In dem Film „Hölleisengretel“ spielte Hubert von Goisern den Ehemann der buckligen Gretl und komponierte ebenso einen Teil der Filmusik. Es folgten weitere Musikkompositionen für Filme, ein langjähriges Engagement für den Tier- und Naturschutz, vor allem in Afrika und letztlich, ab 1999, wieder der Einstieg in die Musik.
Heute, im Jahr 2018, ist Hubert von Goisern mit nun 66 Jahren keineswegs Rentner, sondern ein Musiker, der in seinen Texten vermehrt politische und soziale Themen aufgreift. Nach wie vor aber, so scheint der Eindruck, sind es die Momente auf der Bühne, die steirische Harmonika vor der Brust, die den Charaktermenschen Hubert von Goisern am meisten befriedigen.